Vaihingen(dh) Auf Einladung des FDP-Ortsverbandes Vaihingen-Sachsenheim hat der parlamentarische Geschäftsführer und bildungspolitische Sprecher der FDP/DVP-Landtagsfraktion, Dr. Timm Kern, bei der Liberalen Gesprächsrunde im Vaihinger Cafe Marilyn über das Thema „Unterrichtsausfall, Lehrermangel, Digitalisierung – was hilft bei den Baustellen unserer Schulen?“ diskutiert. Der FDP-Ortsvorsitzende Roland Zitzmann begrüßte Kern und dankte der Landtagsfraktion für deren Kurs mit dem Ziel eines fraktionsübergreifenden Schulfriedens: „Keine Schule kann vernünftig arbeiten, wenn alle fünf Jahre alles über den Haufen geworfen wird.“
Kern selbst war bis zu seinem Einzug in den Landtag im Jahr 2011 Gymnasiallehrer in Horb am Neckar. Er beobachtet seit dieser Zeit das abfallende Bildungsniveau. „Egal welche Vergleichsstudie Sie heranziehen, ob PISA oder die der Bertelsmann-Stiftung, Baden-Württembergs Schulbildung befindet sich im Vergleich der 16 Länder in einem dramatischen Sinkflug.“ Durch die Vorgabe der damaligen grün-roten Landesregierung, wonach jedes Kind Abitur machen können soll, und dies bevorzugt an Gemeinschaftsschulen sei der Fokus auf die gymnasiale Bildung gelegt und die berufliche Bildung vernachlässigt worden. Die Gemeinschaftsschulen seien bei Lehrerzuweisungen und Mittelzuweisungen stets bevorzugt worden. Die FDP hingegen fordere eine faire Mittelverteilung unter allen Schularten.
Ein Grund für den aktuellen Lehrermangel sind laut Kern die ungenauen Prognosen des Statistischen Landesamtes zur Entwicklung der Schülerzahlen. Zudem fehle nach wie vor eine einheitliche Software, mit der frühzeitig der entstehende Bedarf an Lehrern festgestellt werden und ins Verhältnis zu den voraussehbaren Schülerzahlen gesetzt werden könne. Kern berichtete, dass Baden-Württemberg gemeinsam mit Bayern seit 2007 eine Schulverwaltungssoftware entwickelt habe. In Bayern funktioniere das Programm „Allgemeine Schulverwaltung“ inzwischen, Baden-Württemberg habe seine Version der Software indessen bisher nicht zum Laufen gebracht. „Diese Software-Entwicklung hat den Steuerzahler bisher 24,5 Millionen Euro gekostet, in Bayern läuft sie und Baden-Württemberg bekommt das nicht hin. Und das Schlimmste ist, dass nicht einmal Kultusministerin Eisenmann von der CDU dem Landtag erklären kann, wo der Fehler liegt“, beklagte Kern. Dies sei nach der gescheiterten Bildungsplattform „Ella“ schon der zweite Flop der Landesregierung bei der Digitalisierung der Schulen. Das Ergebnis sei ein völliges Planungschaos. Eine Anfrage der FDP beispielsweise, wie viele Gemeinschaftskunde-Lehrer ausgebildet werden und wie viele fachfremd unterrichten, konnte die Landesregierung nicht beantworten. Eine Steuerung der Wahlfächer bei zu vielen Sprachenlehrern und zu wenigen naturwissenschaftlichen Lehrern ist laut Kern ebenfalls nicht möglich. Nach den wiederholten Problemen des Kultusministeriums und anderer Ressorts mit Software-Entwicklungen fordert Kern ein eigenständiges Ministerium für Digitalisierung, das die nötige Kompetenz zentral vorhält. Die Fachministerien seien mit derartigen Aufgaben offenkundig überfordert.
Bei der Einstellung der Lehrer fordern die Freien Demokraten mehr Eigenverantwortung für die Schulen. Über 70 Prozent der Einstellungen solle jede Schule selbst entscheiden können. Tatsache ist laut Kern, dass nicht genügend Lehrer zur Verfügung stehen, bei gründlicher Analyse jedoch noch Möglichkeiten offenstehen: Die Arbeitslosigkeit nach dem Referendariat der Lehrer, die nach allen Dienstprüfungen nicht vor den Sommerferien sondern danach eingestellt werden, führe zur Abwanderung junger Lehrer nach Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz. Zudem könnten Lehrer zeitlich entlastet werden, wenn fachfremde Aufgaben auf Schulverwaltungsassistenten, Sozialarbeiter oder digitale Hausmeister umverteilt würden. „Es ist doch unsinnig, wenn ein Physiklehrer stundenweise dafür abgestellt wird, Schulcomputer zu warten, oder eine Klassenlehrerin nicht zum Korrigieren kommt, weil sie die nächste Klassenfahrt buchen muss“, kritisierte Kern. Für solche Aufgabe brauche es zentrale Spezialisten an den Schulen.
Die interessierten Gäste des Abends brachten noch viele weitere brennende Themen ein, die Schule betreffend etwa Ganztagsschulen, Reformierte Oberstufe oder Inklusion. Auch die Akademisierung traditioneller Ausbildungsberufe und soziale Fragen der Digitalisierung wurden diskutiert. Mit seinem Credo „Friede den Schulen“ und dem Appell, keine ideologischen Debatten auf dem Rücken der Schulen zu führen, schloss Timm Kern den Abend.
Vaihingen/Enz, 31.10.2018
Dagmar Holzberg
Presseverantwortliche FDP Ortsverband Vaihingen-Sachsenheim